Von u/DrKoz
Wortwörtlich.
Den 23. Oktober 2018. Der Tag beginnt um 6 Uhr morgens. Ganz egal wo man auf der Welt gerade ist. Der Tag läuft 16 Stunden, dann schläft man ein. Wenn man wieder aufwacht ist alles beim Alten. Wie zurückgesetzt. Alles außer den eigenen Erinnerungen. Die darf man sogar behalten.
In den ersten Wochen – kann man überhaupt Wochen zählen, wenn es immer der selbe Tag ist? – war jeder einfach nur verwirrt. Niemand verstand so richtig was los war. Die meisten Leute dachten es wäre nicht real. Und dann kamen die ganzen unterschiedlichen Theorien. Gott würde uns bestrafen, natürlich! Und dann zogen sie weiter zu anderen Dingen. Alles von Aliens über die Klimaerwärmung bis hin zu Änderungen im Zugverhalten der Nachtfalter wurde beschuldigt.
Wissenschaftler rund um den Globus arbeiteten mit Hochdruck daran den wahren Grund herauszufinden. Aber ich glaube es ist ziemlich schwer die Arbeiten aufrechtzuerhalten wenn alles nach 16 Stunden wieder zurückgesetzt wird (eingeschlossen allem was auf Papier geschrieben oder auf CDs gespeichert wurde). Es gibt nur eine gewisse Anzahl an komplizierten, mathematischen Gleichungen die man sich merken kann, glaube ich.
Einige Menschen begannen ihr Leben hedonistisch zu leben, in dem Wissen das es kein Morgen mehr gibt und demnach auch keine Konsequenzen. Andere schlugen einen ganz anderen Weg ein und begingen Suizid, nur um am nächsten Morgen um 6 Uhr wieder lebendig aufzuwachen (Ihnen fehlten die Erinnerungen an die Zeit die sie tot verbracht hatten).
Schließlich begannen auch die Wissenschaftler es aufzugeben, oder die Anzahl der “Heute” zu zählen. Die Leute passten sich an und versuchten ein einigermaßen anständiges Leben mit dem Gedanken im Hinterkopf zu führen das kein Morgen kommen wird (und die quasi Unsterblichkeit die damit einhergeht). Für manche funktionierte das besser (vor allem die Reichen), nicht ganz so gut für andere. Am schlimmsten war es für so Leute wie mich, die wo am “sterben” waren als der Loop begann.
Bei mir wurde Krebs im Endstadium diagnostiziert und man gab mir noch gut 14 Tage zu leben. In manchen Momenten waren die Schmerzen unerträglich und die Analgetika halfen auch nicht wirklich. Die meisten anderen Patienten in meinem Flügel, und ich bin mir ziemlich sicher auch millionen Anderer unter ähnlichen Bedingungen, lebten in ständiger Qual, ohne Hoffnung auf eine Heilung oder den Tod um den Schmerz zu nehmen. Aber ich versuche das alles etwas positiver zu sehen. Ein Leben ist immer noch besser als kein Leben, denke ich mir.
“Licht aus!” sagte Schwester Nook (Es musste so kurz vor 10 Uhr Abends sein). Sie ist eine von den wenigen Personen die immer noch jeden Tag in die Arbeit kommen um sich um Menschen wie mich zu kümmern. Sie ist so ein Engel.
Ein Leben ist besser als kein Leben, denke ich nochmal, während ich die komische goldene Uhr, die mir die mysteriöse Frau gestern gegeben hatte, zurück drehe und ihre Zeiger auf 6 Uhr morgens stelle.