Die Puppe

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In der Russischen Provinz Nahe Omsk lebte ein kleines Mädchen Namens Warinka.

Nachdem der Hund der Familie gestorben war, war Warinka schrecklich traurig und fand an nichts mehr Gefallen. Die Eltern probierten alles möglich aus um sie wieder glücklich zu machen aber nichts half. Sie wollte weder neue Spielsachen noch einen anderen Hund.

Eines Tages, als Warinka in der Früh in die Küche kam, stand ein Päckchen auf ihrem Platz am Tisch. Neugierig öffnete sie die kleine Schachtel und zog eine kleine Puppe heraus. Der Kopf war aus weißem Porzellan mit roter Farbe um den Mund, lange schwarze Haare fielen ihr über die Schultern und das hellblaue Kleid war rot gesprenkelt.

Die Puppe gefiel ihr und als ihre Eltern auch in die Küche kamen, viel sie ihnen in die Arme. Diese sahen sich nur verwundert an.

Seit diesem Tag war die Puppe überall mit dabei und immer an Warinkas Seite. Sie war wieder glücklich.

Und so vergingen die Jahre und Warinka wurde älter. Mit dem älter werden verschwand auch ihre Lust die Puppe überall mit hinzunehmen, auch wenn sie sie immer noch sehr gerne hatte.

Zu ihrem 14. Geburtstag nahm sie sich vor sich von der Puppe zu trennen und so wanderte sie in einer Schachtel mit anderem Spielzeug in den Keller. In dieser Nacht konnte Warinka nicht schlafen. Natürlich, es fehlte die Puppe, aber sie würde im Keller bleiben. Als sie dann doch einschlief hörte sie entfernt eine Stimme: “Warinka, komm und hol mich. Warinka, ich warte auf der Treppe.”

Als Warinka am nächsten morgen in die Küche kam, fragte ihre Mutter sie, warum sie die Puppe nicht aufgeräumt hatte. “Ich habe sie aufgeräumt” meinte Warinka daraufhin. “Und warum bin ich dann, als ich Kartoffeln aus dem Keller holen wollte auf der Treppe über sie gestolpert?”

Warinka konnte sich das nicht erklären. Nachdenklich verstaute sie die Puppe wieder in der Schachtel im Keller.

Als es Abend wurde und Warinka ins Bett ging dachte sie noch einmal über die Puppe nach. Und auch dieses mal hörte sie, als sie einschlief wieder die Stimme: “Warinka, komm und hol mich. Warinka, ich warte im Gang”

Am nächsten morgen, als Warinka ihre Zimmertür öffnete lächelte ihr die Puppe von der Gegenüberliegenden Wand zu. Sie saß da einfach, den Kopf leicht schief gelegt und den Blick auf ihre Türe gerichtet.

Wieder wanderte die Puppe in den Keller zurück, aber Warinka war garnicht gut zumute. Das Gefühl wurde nur noch schlimmer als sie abends wieder ins Bett stieg.

Sie lag ewig wach und überlegt wie die Puppe wohl bloss auf die Treppe und dann in den Flur gekommen war. Während sie unterschiedliche Theorien in ihrem Kopf durchging vernahm sie wieder die Stimme, von der sie die letzten Tage gedacht hatte, das sie sie nur geträumt hätte. “Warinka, warum? Warinka, wenn du mich nicht holst, dann komme ich zu dir, Warinka”

Warinka lag ganz ruhig da und lauschte doch erst war nichts zu vernehmen. Erst als sie sich schon wieder mit dem Gedanken abgefunden hatte, das sie sich die Stimme nur eingebildet hatte, hörte sie wie sich ihre Zimmertüre einen Spalt öffnete. Sie versuchte etwas zu erkennen aber durch die Dunkelheit ließen sich gerade einmal die ungefähren Umrisse der Tür erkennen.

“Warinka, warum?” Diesmal lauter. Näher. “Warinka. Warum tust du mir das an, Warinka?”

Warinka drückte sich tief in ihr Kissen. Die Stimme hatte sich so angehört als wäre sie schon im Zimmer. Langsam zog sie sich die Decke über den Kopf. “Das ist alles nur Einbildung” sagte sie zu sich selbst. Eine Zeit lag sie in kompletter Stille da.

Etwas knarzte, so als wäre etwas auf ihr Bett geklettert und bewegte sich jetzt auf das Kopfende des Bettes zu. Dann wieder Stille.

Nach einiger Zeit, als die Luft unter der Decke langsam stickig wurde, lugte Warinka durch einen Spalt der Decke hervor. Neben sich nahm sie ein weißes Gesicht wahr. Mit roten Lippen.

“DU WIRST MICH NIE MEHR LOS, WARINKA”

 

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