Kapitel 1 – Caligo

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Er wurde durch ein starkes Rütteln an seiner Schulter aus dem Delirium gerissen. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch die kurzen schwarzen Haare, bevor er sich aufsetzte.

Ein Schmerz durchzuckte seine Schulter.

Er schwang seine Beine seitlich vom Feldbett, bevor er sich genauer umsah.

Sein abgenutztes Feldbett stand auf der gegenüberliegenden Seite vom Zelteingang. Das Zelt war ein altes Militärzelt, zumindest machte es mit den ganzen Flecken auf der Plane so einen Eindruck, welches auch noch einen Haufen Löcher aufzuweisen hatte.

Doch wieder Erwarten, konnte man durch die Löcher nicht den Himmel sehen, sondern man starrte auf blanken, dreckigen Beton, dessen Eintönigkeit nur hier und da von einem Rohr oder Kabel unterbrochen wurde.

In dem Zelt standen noch fünf andere Feldbetten, wobei nur das zum Kopfende seines Bettes belegt war. In ihm schlief eine noch recht junge Frau, über die sich jetzt der Herr beugte, der auch ihn wachgerüttelt hatte.

Langsam senkte er den Blick, und ließ ihn an sich herunter wandern.

Ein grauer Pullover mit nur einem Ärmel, bedeckte seinen Oberkörper. Seine Beine steckten in einer schwarzen, abgewetzten Jeans, wobei die Enden sehr stark ausfransten, bevor seine Füße in ausgelatschten dunklen Arbeitsschuhen endeten.

Er griff sich in die Fronttaschen seines Pullovers.

Leer.

Hosentaschen.

Auch Leer.

Er seufzte. Er würde gerne erfahren wer er war.

Er ließ seinen Blick wieder zum Nachbarbett wandern. Auch die Frau hatte sich mittlerweile aufgesetzt. Sie strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht und rieb sich die Augen.

Ihr Haar war zirka schulterlang, in einem schmutzigen rot. Sie trug ein beiges langärmliches Oberteil und eine etwas zu weite, zerschlissene Jogginghose mit einem großen Loch am rechten Schienbein.

Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke und er wandte sich beschämt ab.

„Los! Aufstehen.“ Der Mann der sie geweckt hatte, stand neben dem Eingang des Zeltes.

„Red will euch sehen“ mit diesen Worten schlüpfte er durch den Eingang und verschwand aus dem Zelt.

„Weißt du wo wir hier sind?“

Das war die Frau. Er stand auf und drehte sich zu ihr.

„Ich habe keine Ahnung, Ich weiß nur, dass ich einem Raum aufgewacht bin und hier in dieses Zelt gebracht wurde.“

Sie hob Ihren Kopf und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

„Ich… Ich kann mich an nichts erinnern. Ich wurde hier geweckt aber…“stotterte sie, „ aber sonst fehlt alles. Ich weiß nicht einmal wer ich bin. Es fühlt sich alles so… so leer an.“

„Das kann ich verstehen, mir geht es ja genauso.“ Er reichte ihr seine Hand.

Sie streckte ihren Arm aus und ergriff sie.

Er zog sie hoch, sodass sie jetzt beide mittig im Zelt standen.

„Wir sollten gehen.“ schlug er vor. „Der Kerl und Red wollen sicher nicht ewig auf uns warten.“

Er drehte sich um und ging auf den Zelteingang zu. Als er merkte, dass sie ihm nicht folgte, blieb er stehen.

Er hörte wie sie geräuschvoll Luft durch den Mund einsog, bevor sie fast schon flüsterte:

„Was ist nur los mit uns.“

Er drehte seinen Oberkörper langsam und wandte seinen Kopf zu ihr zurück.

Sie stand da, die Arme nach unten baumelnd. Den Kopf gesenkt.

Er räusperte sich.

Sie hob den Kopf und sah ihn an.

„Ich weiß es nicht, aber ich bin mir sicher wir werden es bald erfahren. Was anderes bleibt uns ja leider nicht übrig.“ Er lächelte.

Mit diesen Worten durchschritt er den Zelteingang.

Hinein in eine neue Welt.

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