Kapitel 13 – Caligo

zurück zum Inhaltsverzeichnis

Es dauerte nicht lange, bevor der erste neue Arbeiter zu ihm kam auf die Pilzfelder kam.

Drei Tage um genau zu sein ließ er auf sich warten, bevor Tori mit dem Neuen zwischen den Boxen auf Vim zu tänzelte.

“Sa da wären wir.” begann Tori als die beiden zusammen vor Vim zum stehen kamen. Sie deutete auf ihn.

“Das hier ist Vim, er wird sich sicher gleich noch einmal selber vorstellen, und was du hier alles machen wirst natürlich auch.” Während sie sprach machte sie mit ihren Händen die typische Bewegung wenn man zwei fremde Personen gegenseitig vorstellte.

“Und das hier ist Sam, Nummer 352, frisch mit der Kammer angekommen und direkt uns für die Pilze zugeteilt worden.”

Der Mann der ihm gegenüber stand machte einen nicht gerade sehr viel älteren Eindruck als Vim selber, vlt vier oder fünf Jahre, mehr aber auch nicht. Er war groß, ungefähr genau so hoch wie Vim und sportlich gebaut, allerdings zeichnete sich unter seinem grauen Hemd schon ein leichter Bauchansatz ab. Sam’s Haare waren dunkelblond und seine blaugrauen Augen sahen Vim fragen aus einem runden Gesicht entgegen.

“Sehr erfreut.” Vim reichte ihm die Hand und er griff danach und ein fester Händedruck folgte.

“Ebenfalls” kam als Antwort.

“Dann lass ich euch mal alleine.” flötete Tori bevor sie, ohne eine Antwort, oder eine Widerrede abzuwarten, wieder davon tanzte.

“Na gut, dann wollen wir mal, den die Pflicht ruft.” witzelte Vim und er führte Sam zu einer noch freien Box.

Er erklärte ihm welche Pilze zu ernten waren, wie man sie erntete und wie sie zu lagern und abzugeben waren, er zeigte ihm auch seine Art die Pilze die reif genug waren zu ertasten und abzudrehen, da es effektiver war und dann durfte Sam auch schon selbst Hand an die ersten Früchte legen.

Anfangs tat er sich schwer, er benutzte doch lieber das Messer das er für die Ernte bekommen hatte um sie umzuschneiden, statt sie heraus zu drehen. Er hatte nämlich die ersten paar einfach zerdrückt, aber er wurde nach ein paar Übungsschnitten schon schneller und geübter. Übung war schließlich alles und so versprach Sam auch, das er die Methode des Abdrehens auch immer mal wieder versuchen würde.

Effektivität zahlte sich schließlich aus.

Vim tat wie ihm von Tori bei ihrem kleinen Einführungsgespräch eingeflößt worden war. Er blieb bei Sam, arbeitete neben ihm her, so wie es Augi bei ihm getan hatte, da Clay es aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme nicht mehr gekonnt hatte, und hatte einen Blick auf das Geschick des Neulings.

Wenn er so darüber nachdachte, drifteten seine Gedanken diesmal nicht zu den Göttern, sondern zu Augi ab.

Als er nach seiner Beförderung von Tori und dem Bretterverschlag zurückgekehrt war, hatte er alles an Augi weitergegeben. Immerhin erzählten sie sich auch alles, zumindest fast. Und er hatte zugehört.

Allerdings hatte er seine Brotzeit mittendrin zur Seite gelegt und auch sein Gesicht hatte alle freundlichen Züge verloren. Augi unterließ es auch an manchen Stellen genauer nachzufragen oder im allgemeinen Kommentare zu geben.

Nachdem Vim mit seiner Aufführung des Gespräches fertig war und Augi ihn nur etwas schief ansah, langsam den Kopf schüttelte und dann aufstehen und gehen wollte, fasste Vim ihn am Arm und hielt ihn zurück. Seine ganzes glückliches Gefühl über die Beförderung war verflogen und er fragte Augi was den mit ihm jetzt los sein, vielleicht ging es ihm nicht gut oder er hatte die Brotzeit nicht vertragen. Doch es war etwas ganz anderes, das ihn so beschäftigte.

Augi fuhr Vim an: “Lass mich doch einfach in Ruhe.”

“Was ist den jetzt los mit dir? Wenn du dich schon nicht mit mir freuen willst, dann lass mich wenigstens wissen was auf einmal mit dir los ist.”

“Nix ist los..” Wut schwang in der Stimme mit “Lass es doch einfach.”

“Nein ich lasse es nicht. Es kann doch nicht sein das deine Stimmung wegen so etwas so stark umschlägt. Da gibt es doch etwas, das du mir nur nicht sagen willst. Hat es was mit mir zu tun?” Vim versuchte ihn zumindest zum reden zu bekommen oder aus seiner Mimik etwas über den Grund herauslesen zu können. “Liegt es daran, das dir das alles nicht passt? Eifersüchtig?”

“Ich sags dir,” fuhr Augi ihn an.” Aber dann lässt du mich mit dieser Scheiße in Ruhe, verstanden?”

So hatte Vim ihn in den Wochen in denen er ihn kennen gelernt hatte noch nie gesehen. Aber er hoffte das er erfahren würde was los war, um ihm damit zu helfen.

“Also, das Ganze hat nichts mit dir direkt zu tun sondern damit, das du zu diesem Deal ‘Ja’ gesagt hast. Du kommst hier vor ein paar Wochen angetanzt, machst dich hier und da ein bisschen beliebt und bumm bekommst du eine Beförderung in den Arsch geschoben.” Augis Stimme nahm immer mehr an Fahrt auf und wurde schneller und lauter. “Glaubst du nicht das ich diese Position verdient hätte? Glaubst du ich habe nicht daran gearbeitet mir hier einen Ruf aufzubauen? Glaubst du ich möchte nicht weiter kommen, nicht nur Feldarbeiter bleiben?

Aber nein, ich werde außen vor gelassen, nur damit so ein vor ein paar Wochen angedackelter Kerl alles auf den Kopf stellen kann? Das kannst du vergessen. Ich habe auch ein bisschen Würde und Stolz. Und das alles kränkt mich einfach nur.”
“Aber Augi,” unterbrach Vim die Hassrede, die sich immer mehr aufgebauscht hatte. “ dass hat doch nichts damit zu tun. Es ist nur… “

“Es ist nur WAS?” schrie Augi

“Es ist nur, das du so oft zwischen den Stationen hin und her springst. Durch dein Problem mit der Konzentration. Ich meine… “

“Jetzt ist es also auch noch meine Schuld das du dich so hochgeschlafen hast oder was? Schiebst es einfach auf meine geistige Situation und Fähigkeiten. Das gefällt dir wieder was? Du Arschloch.

Du hast mich die ganze Zeit nur benutzt, damit du in einem besseren Licht stehen kannst, oder?”

“Nein, ich…”

“Halt dein Maul! Ich verstehe nicht wie ich mich auch noch freiwillig mit dir abgeben konnte.

Aber diesen Fehler mache ich nicht nochmal.”

Mit diesen Worten war Augi aufgestanden und gegangen und Vim hatte ihn nicht mehr aufgehalten. Er fühlte sich richtig schlecht und auch ein wenig schuldig, aber so richtig konnte er nicht verstehen warum Augi so eine Sache daraus machte.

Auf jeden Fall wechselten sie seit dieser Unterhaltung kein Wort mehr und Augi ging Vim so gut es ging aus dem Weg.

In diese Gedanken vertieft wirbelten die Schuldgefühle wieder in Vim hoch, während er neben Sam an den Boxen stand und die Pilze erntete, eintönig und durchgehend bis zum Schichtende.

 

Nach der Schicht suchte Vim, immer noch von den Gefühlen geplagt, Trost bei Mia, während sie zu Abend aßen, doch auch sie konnte ihm nicht so richtig dabei weiterhelfen. Augi war für sie eine noch größere Unbekannte als für ihn in dem Gewebe der unteren Welt.

Und so zog er sich alleine in den Schlafraum zurück, den Lux war gerade auf einer Wachschicht unterwegs und würde noch lange nicht zurück kommen.

Immerhin für ihn hatte alles so geklappt wie er es sich gewünscht hatte, dachte Vim vor sich hin, wenn ich doch nur auch dasselbe von mir behaupten könnte. Irgendwie musste er sich mit Augi wieder vertragen. Die Gedanken darüber, die er sich machte hielten ihn noch eine Ewigkeit lang wach, bevor er dann endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.

Traumlos, nur umgeben von Nebel.

Seinem Nebel.

nächstes Kapitel

zurück zum Inhaltsverzeichnis