Kapitel 16 – Caligo

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Die dreckige Plane die sich über seinem Feldbett spannte bewegte sich langsam auf und ab, wie ein Brustkorb der sich in langsamen Atemzügen hob und senkte. Auch wenn die Zeltstadt ein geschlossener Raum war, gab es doch auch immer wieder den ein oder anderen kleinen WIndstoß der zwischen den Zelten und Unterschlüpfen hindurch huschte.

Vim lag auf seinem Feldbett und hatte die letzten paar Stunden seines Feierabends damit verbracht einfach nur die wabbelnde Decke anzustarren.

Ihm erschloss sich immer noch nicht, warum Lux so etwas getan haben sollte. Ja gut, er war anfangs etwas schwierig, aber Vim konnte sich einfach nicht vorstellen, das eine Situation für ihn so eskalieren konnte, das er zu einer Waffe griff um jemanden, mitsamt des Problems aus der Welt zu schaffen. Dafür hatte Lux auf jeden Fall der Mumm gefehlt, dass stand für Vim fest.

Allerdings hatte Lux eine Sache gehabt, die Vim wohl nie erreichen würde. Er durfte nach draußen, er hatte die obere Welt gesehen und die Sonne auf seiner Haut gespürt, zusätzlich dazu noch den ein oder anderen echten Windstoß, der über die Arme kitzelte und das Haar zerzauste.

Dieses Gefühl hatte er nur einmal gehabt, seitdem er hier unten in dem bedrückenden Gefühl gefangen war, als sich das Tor vor Lux geöffnet hatte und es auch für Vim einen kleinen Lichtblick gab, das die Welt außerhalb noch nicht ganz gestorben war.

Und sie war immer noch erreichbar. Lux hatte es schließlich geschafft, also warum nicht auch er? Dieser Gedanke beschäftigte ihn seit damals und nun drängte er immer weiter in den Vordergrund seiner Gedanken. Wie eine Fackel, die ganz dicht vor seine Augen gehalten wurde war er von der Idee, die er gefasst hatte geblendet und spürte eine Wärme in seinem Gesicht, die von der Sonne kommen musste, zumindest wenn er die Augen schloss.

Doch was konnte er den schon tun, er hatte seine feste Arbeit bei den Feldern und schließlich hatte er mit seiner Beförderung, auch wenn sie nicht alles besser gemacht hatte doch noch einmal mehr Fahne für seinen beruf gezeigt, da konnte er jetzt schlecht Fahnenflucht begehen. Doch vlt ließe sich mit einem Wechsel ja auch Augi wieder so weit beruhigen, das man immerhin wieder miteinander redete.

Vim setzte sich auf und schwang die Beine über die Feldbettkante. Einen Versuch war’s wert.

Viel verlieren konnte er eh nicht mehr und irgendetwas musste er machen, sonst erdrückte ihn das alles noch irgendwann.

 

Keine Viertelstunde später fand Vim sich auf einer Kiste sitzend vor Reds Schreibtisch wieder.

Den ganzen Weg bis hierher war er versunken gewesen in das was er nun sagen könnte. Hatte alle möglichen Formulierungen ausprobiert und sonst nicht mehr viel von der Umwelt mitbekommen.

Und nun sah ihn Red von der anderen Seite der Tischplatte aus vorwurfsvoll an.

“Also, worum geht es denn dieses Mal?” fragte er als Red sich nach vorne und seine verschränkten Arme auf die Tischplatte stützte.

“Nun, … also… ich…” Vim stotterte nur ein bisschen vor sich hin, er suchte immer noch nach Argumenten aber in seinem Kopf war immer noch nicht mehr als eine unbestimmte Masse an grauen Zellen, die im Moment zu nichts zu gebrauchen waren.

“Na komm schon.” frotzelte Red. Seine Mundwinkel zeigten Anzeichen eines kleinen Lächelns. “Sonst hattest du bisher auch kein Problem damit deinen Mund auf zu machen und genau das von dir zu geben, was dir gerade in den Sinn gekommen war, oder was du dir in deinen Kopf gesetzt hattest.”

Aber genau das ist gerade das Problem, dachte Vim, da kommt einfach nichts gescheites dabei raus.

Die Stille die im Raum stand fühlte sich so an als würde sie mehrere Minuten anhalten, auch wenn dies vermutlich nicht ganz der Realität entsprach, bevor Red wieder sprach. “Einfach raus damit, auch wenn dein Hirn gerade zu Pudding verschmolzen ist.”

Und so rückte Vim raus: “ Ich würde gerne Lux ersetzen.” Das war der einzige Satz der ihm wichtig erschien.

“Und was genau muss ich mir darunter vorstellen? Willst du anstelle von ihm in die Zelle? Hast du ihn auf so kurze Zeit so sehr in dein Herz geschlossen?” Red zog erstaunt die Augenbrauen nach oben und ließ sich in seinem Stuhl wieder nach hinten fallen.

Es dauerte einen Augenblick, bis Vim wusste was er meinte.

“Nein, ich meine seine Stelle bei der Wache und nicht die im Dunkeln.”

Jetzt lachte Red auf und auch Vim rang sich zu einem kleinen Lachen durch, das allerdings sehr gezwungen klang und auch so war, wie er zugeben musste. So richtig klar war er sich nämlich noch nicht, was Red so komisch fand.

Nachdem sich Red endlich beruhigt hatte, fragte er nach.

“Es ist nur so,” begann die Erklärung “ genau das hab ich mir schon gedacht. Und deshalb ist Gus auch genau jetzt unterwegs um uns einen zusätzlichen Gesprächspartner zu besorgen. Ihr kennt euch schon, da bin ich mir sicher. Es wird nur noch einen kleinen Moment dauern bis er hier ist.” Und in Vim machte sich schon die blöde Vermutung breit, dass er schon wusste wer bald durch die Türe treten würde und sicher auch noch einiges in dieser Sache mitzureden hatte.

Und die sollte sich bewahrheiten.

 

Und so stand kurze Zeit später, sie waren vielleicht noch maximal zwei Minuten alleine gewesen, Ric mit verschränkten Armen hinter Red.

“Du willst zu mir?” Das erste was er sagte, seitdem er den Raum betreten hatte. Wobei sagen schon eine ausgesprochen schöne Beschreibung für hergespien war.

Vim machte den Mund auf um zu antworten aber Red kam ihm zuvor.

“Ja, das will er.” Er grinste wieder. “Genau so wie ich es vorausgesagt hatte. Deine Flasche Whisky gehört dann wohl mir.”

Ric schnaubte verächtlich. “Wiso hab ich mich nur darauf eingelassen.” Er musterte Vim von Fuß bis Kopf und blieb bei seinen Augen hängen, in die er solang hineinschaute, das Vim seinen Kopf irgendwann einfach weg drehte. Es fühlte sich so an als würde er direkt in seine Seele schauen.Ein unangenehmes Gefühl.

“Und was meinst du?”, das war wieder Red.

“Ich meine, das ich ihn nicht ausstehen kann. Zwar nicht so schlimm wie bei dem Penner der jetzt im dunklen verrottet aber beste Freunde werden wir wohl nie mehr.”

Vim wollte wieder etwas sagen, dass das alles nur ein Missverständnis war, aber er kam nicht dazu, da Ric sofort weiter fortfuhr.

“Aber im Moment können wir glaube ich jeden gebrauchen, du weißt ja wegen der neuen Aufgabe die wir bekommen haben. Ich glaub nämlich nicht, das die so einfach zu erfüllen sein wird mit unserem momentanen Personalstand. Dann kann er schon ein bisschen was machen und sinnvoll, sinnlos irgendwo rumstehen, und ich nehme die Jungs mit, die ich sinnvoller dafür verwenden kann nach dem Teil zu suchen.”

Red drehte sich auf seinem Stuhl zu Ric um, “Also ein Ja?”

“Auch wenn es mir schwer fällt, ein Ja.”

 

Und so trat Vim der Wache bei.

Seine Zeremonie fiel allerdings um einiges kleiner und unbedeutender aus, als die, die Lux und Noa erfahren hatten. Seine bestand nur aus einem kurzen “Na dann willkommen.”, zweimal Hände schütteln und dann fand er sich schon wieder vor der Türe zu Reds Büro.

Seinen Job auf den Feldern und die Einführung der Neuen bekam Augi zugeteilt, auf Empfehlung von Vim an Tori.

Aber das brachte die Stimmung zwischen den beiden auch nicht mehr wieder ins Lot.

Das Ganze war alles zusammen ein kleines bisschen enttäuschend.

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