Kapitel 21 – Caligo

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Nachdem die Wache bei ihren Handgreiflichkeiten dazwischen gegangen und sie auf Abstand zueinander gehalten hatte waren vlt gerade einmal zehn Minuten vergangen bis sie sich zusammen vor dem Büro von Red wieder fanden.

Jeder von ihnen war von einer Wache begleitet mit einer Hand hinter dem Rücken den Weg bis hier oben geführt worden, die sie nun auch durch die Türe zu Red in den Raum schoben.

Dieser sah sie alles andere als freundlich an. “Setzen.” hauchte er ihnen mit einem Schwung an Enttäuschung in seiner Stimme zu und sie setzten sich auf die beiden Kisten die schon bereit standen. Wobei sie eigentlich schon fast gesetzt wurden, den die Hände der Wachen pressten sie förmlich nach unten.

Weder Augi noch Vim machten Anstalten etwas zu sagen. In seiner Haltung wie sich Red über den Tisch lehnte, mit beiden Armen auf dem Tisch, auf die Ellenbogen gestützt strahlte er einiges an Respekt aus, der Wirkung zeigte.

“Was genau ist den eigentlich nun euer Problem miteinander?” begann er. “Oder besser, bevor ihr wieder mit der Rangfolge und der Dauer auf den Feldern kommt, denn das ist mir schon klar das es wieder darum geht, sagt mir doch einfach mal was aus eurer Freundschaft diesen Trauerhaufen gemacht hat.” Er nahm seine Arme vom Tisch und verschränkte sie vor seiner Brust bevor er sich in seinem Campingstuhl zurück lehnte. “Ich warte.”

Vim sah zu Augi hinüber doch der mied seinen Blick und hatte seine Augen nur stur gerade aus auf Red gerichtet während er sich auf seine Knie nach vorne stützte.

“Ich hätte es nicht gerade als Freundschaft bezeichnet.” sagte Augi und es hörte sich wie ein Vorwurf an Red an, wie er es den überhaupt so nennen konnte. Vim spürte wie sich ein Knoten in seinem Hals festzog. Er hatte es eigentlich scho so empfunden.

“Als was den dann?” erwiderte er Augi zurück, “Wie würdest du es denn nennen? Ich fand schon das wir freundschaftlich miteinander ausgekommen sind.”

“Ja, ausgekommen, aber keine richtige Freundschaft. Das sind zwei unterschiedliches Sachen ob man mit einem Kollegen befreundet ist oder nur gut auskommt. Und ich empfand es jetzt nicht gerade so als wären alle Kriterien einer Freundschaft erfüllt.”

“Und was wären deiner Meinung nach die Kriterien für eine Freundschaft?” Vim merkte neben seinem trockenem Hals auch wieder die leichte Wut auf Augi in sich aufflammen. Irgendwie musste er sie kontrollieren sagte er zu sich selber. Es durfte nicht wieder ausarten. “Ich empfand alles als erfüllt, du warst bei uns im Zelt, zusammen gegessen über jeden Scheiß miteinander geredet. Aber wenn du empfindest das die kleine Beförderung ein Grund ist all das über Bord zu schmeißen dann sei es so.”

Augi drehte sein Gesicht nun doch in seine Richtung, die dunklen, braunen Augen funkelten dabei, wobei Vim sich nicht sicher war ob auch aus Zorn oder ob ihm doch ein Wenig das Wasser in die Augen drückte.

“ Du verstehst das einfach nicht… “ Augi zog die Nase hoch, also doch eher die Tränen. Vim versuchte die in ihm aufwallende Freude darüber zu unterdrücken. Dafür war nun nicht die richtige Zeit und sie war auch auf jeden Fall gerade nicht angebracht. Das Mitleid in ihm stellte sich ihm da entgegen.

“Ich meine es nur so,” fuhr Augi fort, “dass wir uns sehr gut verstanden haben vor dem ganzen Zeug und du dir dann auch noch was darauf eingebildet hast, aber wir..”

“Ich habe mir garnichts auf die Beförderung eingebildet, ich versteh nicht wie…”
“Lass ihn bitte ausreden.” unterbrach Red den Einwurf von Vim, ”Ich würde das gerne erstmal komplett hören und dann darfst du deine Meinung dazu nachreichen. Wir haben alle Zeit der Welt. Also besteht kein Grund  euch hier gegenseitig Sprechzeit streitig zu machen.”

Vim warf Red einen Blick zu in dem sicher etwas mehr Wut mitfunkelte als er es beabsichtigt hatte.

“Danke.” nahm Augi seinen Text wieder auf, wobei er mit dem Kopf nickte und sich dann wieder Vim zuwandte. “Ich wollte damit nur sagen, dass alles was unser gutes Verhältnis zusammen ausgemacht hatte dadurch in den Dreck getreten wurde. Nicht nur dadurch dass es dich als etwas besseres dargestellt hat als du bist, und bevor du mich wieder unterbrichst, ich meine das nicht auf dich als Person bezogen sonder auf deine Fertigkeiten und Arbeitsleistung auf den Feldern. Es hätte mehrere Personen gegeben die dafür besser geeignet waren als du, mich mit eingeschlossen.”

Vim wollte protestieren und öffnete den Mund, riskierte aber dann doch noch einen Seitenblick auf Red, dessen Blick schwer auf ihm lag und der leicht den Kopf schüttelte als er Vims Blick bemerkte. Vim schloss den Mund wieder und hörte weiter zu. Er musste Augis Monolog also erstmal vollends über sich ergehen lassen.

“Das war ja dann erstmal auch okay so. Ich hab mich damit abgefunden und einfach so weitergemacht wie bisher. Oder besser gesagt auch genau so wie vor der Zeit als du zu den Feldern gestoßen bist.” Augis Blick ruhte weiter auf Vim, doch dessen Augen hatten nur einen abwesenden Blick der wirkte als würde er durch Vim hindurch in eine weiter Ferne schweifen. “Dann hast du dich zu weiteren Zielen aufgemacht. Eigenen Zielen die deinen Weg weg von den Feldern und zur Wache hin leiteten. Diesen Zielen bist du gefolgt und hast mir sogar die Möglichkeit gegeben endlich deine alte Stellung einzunehmen. Endlich das zu erreichen, was mir zugestanden ist. Das waren sogar deine eigenen Worte, nur um das noch einmal anzumerken.

Und alles war gut so wie es dann war. Nur das Vertrauen in dich wollte nicht gleich wieder zu mir zurück. Ich wartete und ließ meine Gefühle daran arbeiten sich wieder zu sortieren.”

Vim rutschte mit seinem Hintern auf der Kiste umher und versuchte eine bequemere Sitzposition zu finden, den langsam wollte sein Körper nicht mehr länger einfach nur da sitzen und sich die gegen ihn vorgebrachte Anschuldigungen anhören. Lange würde er es nicht mehr aushalten.

“Und schön langsam merkte ich auch das es für mich wieder einfacher und leichter wurde dir in die Augen zu sehen. Und ich spürte wie ich langsam wieder bereit für einer Freundschaft war.

Und dann kam der nächste Schlag. Und der saß. Das hat wieder alles zusammen fallen lassen wie ein Kartenhaus das in sich zusammenstürzt. Du kamst wieder zurück und ich sollte wieder von dem Platz als Stationsleitung abrücken. Wurde einfach wieder zurückgeschoben so als wäre ich nur ein Platzwärmer für dich gewesen, den man einfach wieder auf die Seite pfeffert wenn man den Platz wieder braucht.

Da fühlt man sich einfach nur ausgenutzt und das letzte Fünkchen Vertrauen ist auch verloschen.”

Vim atmete tief aus, er war sich sogar garnicht sicher ob er während den letzten Sätzen überhaupt geatmet hatte. Gierig sog er wieder Luft ein, als Augi sich wieder Red zuwandt.

“Und deshalb hätte ich gerne, das ich die Position weiter behalten darf. Ich bin ja nicht schuld daran das sein Plan,” eine verächtliche Kopfbewegung in Vims Richtung “ gescheitert ist. Vim darf gerne UNTER mir wieder auf die Felder zurückkommen, aber er muss es einsehen das ich nicht wie ein Spielball hin und her geschubst werden möchte. Ein wenig Würde habe ich auch noch.”

“Das kann ich gut verstehen.” pflichtete Red ihm bei, “Allerdings muss ich auch zugeben, dass das Wiedereinsetzen von Vim auf ihrere Stelle meine Idee war, auch wenn ich nun nicht mehr ganz so von meinem Standpunkt überzeugt bin wie vor ein paar Tagen noch.”

Sein kopf wandte sich Vim zu.

“Jetzt würde ich gerne noch ihre Seite hören, und sie,” er sprach dabei zu Augi, “dürfen sich zurücklehnen und hören auch nur zu, bis er fertig ist. Aus Respekt. Er hat ihnen immerhin auch vollständig zugehört.”

Dann war Red still und beide sahen erwartungsvoll zu Vim. Jetzt gilts, dachte er und lehnte sich nach vorne, wobei er sich mit seinen Händen auf den Oberschenkeln abstützte.

“Ich würde gerne damit beginnen, und etwas zu meinem Standpunkt der Freundschaft aufbringen.” Vim fuhr sich mit der Zunge über die Lippen bevor er weitersprach. “Ich empfand das Alles schon als Freundschaft, nicht nur als eine Beziehung die man mit Freundschaft gleichsetzen konnte. Immerhin warst du Augi die erste Person die wirklich mit mir geredet hat, wenn man mal von Mia absieht, und du warst immer da. Immer in der Nähe, egal wann man Hilfe oder jemanden zum Reden gebraucht hat.

Zu diesem Zustand zwischen uns würde ich gerne zurück finden. Auf welchem Weg auch immer.”

Mehr wusste er nicht mehr zu sagen, auch seine Wut schien verflogen zu sein und er realisierte seine falschen Annahmen. Merkte wo der Fehler lag. Vim ließ seinen Blick zwischen Red und Augi hin und herwandern doch sie warteten anscheinend ob noch etwas mehr von ihm kommt, als nur diese paar Sätzchen.

“Das war dann eigentlich alles was ich noch sagen wollte.” fügte Vim also noch hinzu um die Erwartungen zu beenden, bevor er sich wieder etwas mehr auf seiner Kiste aufrichtete.

“Na dann,” Red begann sein Abschlussplädoye zu halten, “wenn dir eh jeder Weg recht ist, alles gerade zu rücken, würde ich sagen das wir Augi die Stelle als Schichtleitung zurückgeben und du Vim erst einmal wieder als Feldarbeiter einsteigst. Somit kommen wir der allgemeinen Forderung nach und behalten die nach deinem freiwilligen Austritt hergestellte Rangordnung bei.” Dabei sprach er in Vims Richtung. ”Sonst werfen wir nun dabei wieder alles durcheinander und das macht die Verständigung nur noch schwieriger. Und nachdem du eh sagtest, du wärst damit einverstanden wärst ist das auch noch die bessere Lösung für das Verhältnis zwischen euch.”
Red erhob sich von seinem Campingstuhl und bedeutete ihnen dasselbe zu tun.

“Ich hoffe für euch, dass ihr es schafft eure selbstgeschaffene Kluft zwischen euch zu überspringen und wieder die freundschaftliche Basis zwischen euch herzustellen. Das macht es für alle schöner und auch angenehmer und daran sind wir doch alle interessiert, oder etwas nicht?”

Augi schwieg aber Vim pflichtete ein leises “Schon” bei.

Damit war das Gespräch offiziell beendet und die Wachen die an der hinteren Wand des Zimmers gewartet und das ganze Gespräch mit halbem Interesse verfolgt hatten schoben sie vor sich wieder aus dem Raum, nur diesmal etwas sanfter als vorher als sie aus anderer Richtung durch die Tür kamen. Danach verstreuten sich die Wachen und Augi und Vim waren alleine vor der Türe die Red hinter ihnen zu drückte.

So standen sie einen Moment da und niemand von ihnen traute sich etwas zu sagen und wartete darauf das sich der andere als erstes entschuldigen würde. Aber es kam nichts.

“Also… Wollen wir nicht noch einmal darüber reden?” brach Vim das Schweigen.

“Kannst du mich nicht einfach damit in Ruhe lassen?!”, war das Einzige was Augi kraftlos mit abgewandtem Kopf erwiderte, bevor er in die entgegengesetzte Richtung davon stapfte und Vim stehen ließ.

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