Kapitel 10 – Caligo

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Lux war zuerst nicht davon begeistert, das Vim zu Red gegangen war und für ihn, wie er behauptet hatte, zu betteln. Doch als er das Ergebnis hörte, das er doch noch eine Möglichkeit habe sich zu beweisen, wich dieser anfängliche Ärger einer immer stärker werdenden Euphorie. Er war fast so als gebe es jetzt wieder einen kleinen Lichtblick in seinem Leben. Einen Hoffnungsschimmer.

Sie begannen noch am selben Tag sich vorzubereiten. Und nachdem Vim während seiner Schicht auch mit Augi geredet hatte schloss sich er auch ihnen an. Immerhin meinte er, das er eh sonst nichts zu tun habe und Abwechslung sei für ihn ja eh besser als immer das Gleiche.

Red hatte Vim nach ihrem Gespräch gesagt, das er die Einzelheiten der Prüfung und ihre Aufgaben erst noch sammel und ausarbeiten müsste, bevor er alle Infos an ihn weitergeben könne.

Und so waren ihre ersten Trainingseinheiten darauf ausgelegt das Benehmen gegenüber Anderen und in Stresssituationen, besser und vor allem angenehmer für alle, zu gestalten. Lux sollte erst einmal von seiner etwas bissigen Art runterkommen, wenn ihm jemand ein leichtes Kontra gibt.

Anfangs versuchten sie es damit, zu verstehen wieso Lux so reagierte, doch er wollte sich dazu nicht äußern weshalb diese Idee der Herangehensweise relativ rasch wieder verworfen wurde.

Dann versuchten sie es damit das sie mit ihm ein paar Situationen durchspielten, ihn in gestellten Gesprächen unter Druck setzten, ihn nicht ausreden ließen oder gegen seine eigene Meinung arbeiteten.

Das gelang erstaunlich gut und sie machten damit weiter ihn auch mal mit Fremden diskutieren zu lassen, was sich auch neben der Arbeit auf den Feldern machen ließ und so machte er die nächsten Tage, in denen Vim und Augi ihre ganze Freizeit, und auch Zeit während der Arbeit, für Lux opferten, erstaunliche Fortschritte.

 

An einem Abend, als sie zu dritt in dem blauen Zelt saßen und eine Kleinigkeit aßen, sie hatten sich mittlerweile einen weiteren Stuhl besorgt, stieß Gus zu ihnen. Er trat durch die Öffnung des Zeltes zu ihnen hinein und blieb direkt beim Eingang stehen.

“Ich wurde von Red wegen der Prüfung vorbeigeschickt,” begann er ohne sie zu begrüßen oder sich für das plötzliche Auftreten zu entschuldigen, “Und ich darf euch nun die weiteren Einzelheiten aufführen.”

Er warf Lux einen bösen Blick von der Seite zu, doch der beachtete es gar nicht.

“Na dann schieß los.” war alles was Lux ihm als Antwort brachte.

“Ich versteh immer noch nicht, was sie von dir wollen. Wenn man sich, so wie du, nicht benehmen kann hat man in der Wache überhaupt nichts verloren. Und ich meine das was du mit uns nach deiner Ankunft gemacht hattest war alles andere als freundlich.

Aber wenn sie meinen. Ich im Gegenteil würde dich einfach wegsperren oder schlimmeres. Meinen Arm kann ich immer noch nicht wieder ganz so hernehmen wie davor.”

Vim und Augi warfen sich einen überraschten Blick zu. Die Details aus Reds Büro waren bisher nicht nach außen gedrungen.

Gus fuhr fort: “Ich will mich kurz halten, damit ich nicht so lange hier bleiben muss. Du wirst nach einer internen Prüfung deines Verhaltens durch den Rat vor die Tore geschickt. Dort hast du Zeit bis spätestens zum Sonnenuntergang, was vermutlich so 2-3 Stunden entsprechen wird, um ein paar markierte Stellen abzulaufen und dort kleinere Aufgaben zu absolvieren, die dort für dich auf Zetteln notiert sind. Die Aufgaben beinhalten Schießübungen, Koordination, Stärke und einfache Suchaufgaben.

Wir werden dich in genau 2 Tagen dafür in der großen Halle erwarten.”

Gus wartete nicht einmal auf eine Antwort, er machte einfach auf der Stelle kehrt und ging durch die Öffnung in der Zeltwand.

dann war er verschwunden.

 

Am nächsten Tag war es ihnen erlaubt sich eine kleine Pistole aus der Waffenkammer der Wache zu hohlen. Damit wollten sie zumindest ein paar Schießübungen durchführen bevor es für Lux ernst wurde.

Die Waffe bekamen sie auch, nur Ric, der sie ihnen ausgehändigte und auch die Übung in der Halle beaufsichtigen sollte, dämpfte die Stimmung.

Ähnlich dessen was Gus zu ihnen und über Lux gesagt hatte, war auch er nicht davon begeistert ihn eventuell bald in seiner Wache zu haben.

“Ich habe vieles von dir gehört, aber nichts gutes war dabei.” sagte Ric in einer provozierenden Stimmlage. Er fuhr sich über die kurzen Stoppelhaare.”Aber ich lasse mir gerne von so einem Bürschchen wie dir zeigen, wofür du sonst noch gut bist. Wir können sich noch jemanden beim Latrinendienst gebrauchen.” Daraufhin lachte er schallend.

Der Rest des Trainings verlief gut und ruhig, und das  obwohl Ric sie die ganze Zeit beobachtete. Er schwieg allerdings mit verschränkten Händen auf der Seite sitzend vor sich hin, während Lux eine Dose nach der anderen, sie hatten sie in unterschiedlichen Entfernungen als Ziele aufgestellt, umschoss. Er hatte das Schießen irgendwie im Blut.

Erst als sie die Waffe wieder abgaben sagte er nochmal etwas zu ihnen, wobei die überheblichkeit in seiner Stimme Unmut gewichen war, der sich klar und deutlich zwischen seinen Worten hervor drückte.

“Wir werden ja schon noch sehen wie es dir dann unter Druck ergeht. In der Halle hattest du ja einfach nur leichtere Bedingungen. Aber sowas hat noch keinen überzeugt und mich erst recht nicht.”

Er sperrte den Schrank mit den Waffen wieder zu, nachdem er die Waffe ohne Munition darin gesichert hatte.

“Und dich will ich alleine schon auf menschlicher Ebene nicht in meiner Wache haben. Du vergiftest sie mir alle mit deiner unmöglichen Art. Vielleicht lass ich dich einfach nach deiner Prüfung nicht mehr zurück in den Livestock und dann kannst du dich gegen die Viecher der Nacht beweisen, du Wichser.”

Lux stieß ihm ein “Ach, Halt’s Maul!” hin, sein erster Ausfall seit gefühlten Ewigkeiten – Vim musste eingestehen er empfand ihn als angebracht – drehte sich um und ging. Vim und Augi folgten ihm während Ric ihnen hinterher rief: “Siehst du, du hast dich immer noch nicht im Griff. Und du wirst dich nie ändern können.

Du bist eine Schande!”

Er lachte

 

Zurück in ihrem Zelt war Lux niedergeschlagen und Vim brauchte einiges an Zeit um ihn wieder ein bisschen aufzumuntern. Aber das reichte.

Den freien Nachmittag ihres letzten Tag der Vorbereitungen verwendeten sie auf eine Schnitzeljagd durch die Zeltstadt um seinen Blick für die Suchaufgaben zu schärfen. Dann war Pause angesagt, Zeit in der Lux noch einmal durchatmen konnte bevor es ernst für ihn wird. Er legte sich hin und schlief ein paar Minuten, bevor er von Vim geweckt und zusammen mit Augi in die große Halle begleitet wurde.

Dort wurden sie schon von einer Delegation der Wache, unter fast schon selbstverständlich auch Ric und Gus, sowie auch von Red erwartet. Auch ein paar Ratsmitglieder, unter anderem Pa, waren auch anwesend, hielten sich aber eher ruhig im Hintergrund.

Ohne ein Wort zu sagen setzte sich die Gruppe in Richtung Haupttor in Bewegung und die kleine Gruppierung um Lux schloss sich ihnen an.

Zusammen traten sie an das Große Tor aus zusammengeschweißten Metallplatten heran und bildeten einen Kreis um Red. Vim spürte wie alle Muskeln in seinem Körper sich anspannten, und das obwohl es nicht direkt um ihn ging. Aber er war ein Teil dessen.

Red bat Lux zu sich nach vorne. Der folgte dieser Aufforderung und bekam von einem anderen Wachenmitglied eine Pistole überreicht, die der vom Tag zuvor verdammt ähnlich aussah.

“Ich wünsche dir viel Erfolg bei deiner Prüfung. Pa wird dir währenddessen als Begleiter zur Seite stehen. Er zeigt dir den Weg von Aufgabe zu Aufgabe und wird unsere Augen und Ohren repräsentieren. Alles wird uns mitgeteilt werden.” Red hatte mit einer kleinen Ansprache für die Gruppe begonnen und Pa bahnte sich seinen Weg mit nach vorne. Vim hatte bei der Nennung von Pa’s Namen einen großen Teil seiner Anspannung verloren. Lux würde es schaffen.

Red fuhr fort: “Nun schreitet durch das Tor und dann sehen wir uns am Ende wieder. Wir wünschen dir viel Glück.” Er schüttelte Lux die Hand.

Als das große Tor sich weit genug öffnete, damit Lux und Pa hindurch schlüpfen konnten fiel das Sonnenlicht, das erste das Vim seit seiner Ankunft sah, auf die Gesichter der Anwesenden. Von Glück wünschen konnte da keine Rede mehr sein, eher seinen Tod.

Das Tor schloss sich wieder und ließ Lux und Pa in der Außenwelt alleine.

Ein bisschen Glück könnten sie aber brauchen.

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