Kapitel 4 – Caligo

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Nicht sehr viel später standen sie wieder vor Red’s Türe.

Red zog die Türe zu und sie fiel mit einem lauten Klacken ins Schloß.

Er wandte ihnen den Rücken zu und kramte aus seiner Hosentasche einen kleinen braunen Schlüssel hervor, mit dem er die Türe doppelt absperrte.

Red prüfte noch, nachdem der Schlüssel wieder verschwunden war, ob er die Türe wirklich abgesperrt hatte. Er betätigte die Klinke und ließ sich mit der linken Schulter gegen die Türe fallen.

Erfreut von dem Ergebnis drehte er sich mit einem Lächeln auf den Lippen wieder zu ihnen um.

“Na dann will ich euch mal eure Heimat zeigen.”

Er drückte sich an ihnen vorbei und marschierte ihnen, gefolgt von 248, voraus zurück in die große Halle.

Sie folgten ihnen und so zog die Prozessions schweigend durch die Halle, den selben Weg zurück, auf dem sie vor kurzem zu Red geführt wurden. Während sie wieder die düstere Treppe hinab stiegen fing Red wieder an mit ihnen zu reden.

“Auch wenn es hier keine direkten Namen gibt, möchte ich euch doch bitten, euch bis zum Ende der kleinen Führung zu überlegen, wie man euch nennen soll.” Er drehte ihnen sein Kopf zu.

Man konnte sein Gesicht zwar nicht klar sehen, konnte aber ausmachen das er grinste.

“Eine Nummer ist schwerer zu merken, und hört sich einfach schrecklich an. Außerdem ist es eine Sache der Gewohnheit. Stimmts?”

347 und 346 nickten langsam, aber zustimmend.

“Na dann,” Red legte etwas an Geschwindigkeit zu und übersprang die letzte Stufe “erstmal der wichtigere Teil. Hier entlang.”

Er bog nach rechts in den großen Gang ab.

Dieser war wie der Gang, durch den sie die Zeltstadt verlassen hatten in einer leichten Rechtskurve angelegt. Auch in diesem Gang fehlte es nicht an Rohren an der Decke und Türen, die in unterschiedlichsten Abständen in den Wänden verankert waren.

Im Gegensatz zum anderen Tunnel waren hier die Türen allerdings nicht mit Zahlen markiert, sondern hatten Zeichen oder sogar Worte als Beschreibung aufgesprüht.

Auch variierten hier die für die Aufschriften verwendeten Farben.

“Was genau bedeuten die ganzen Zeichen auf den Türen?”

347 war stehen geblieben und fuhr mit der rechten Hand eine graue Welle auf einer der Türen nach. In der Mitte der Welle war ein kleine “3” mit schwarzem Marker gemalt.

Die anderen blieben stehen. Red und 346 traten zu ihm heran während sich 248 wieder gelangweilt an die Wand lehnte.

“Die Farbe der Zeichen, zeigt welcher Einheit der Raum gehört. In diesem Fall ist es ein Raum der Einheit Technik. Weitere wichtige Farben für euch sind Grün, Einheit Versorgung, Blau, Einheit Sicherheit und Schwarz für die Einheit Lagerung und Entsorgung. Alle Rot gekennzeichneten Türen und Durchgänge in diesem Gang sind öffentlich, oder dienen einem Öffentlichem Dienst. Darunter fallen zum Beispiel Krankenversorgung oder Nährmittelausgabe.”

Red machte auf dem Absatz kehrt, und ging weiter den Gang entlang.

“Auf gehts” warf er ihnen über die Schulter zu,” ihr sollt euch doch schließlich auch noch ein bisschen nützlich machen.”

 

Nachdem sie den Gang komplett durchschritten hatten, traten sie in einen kleinen Holzverschlag indem eine kleine Frau mit ausgefranstem Strohhut hinter einer niedrigen Theke saß. Sie nickte ihnen zu und senkte den Blick wieder auf die mit Zahlen überzogenen Blätter die sie vor sich ausgebreitet hatte.

Sie verließen den Verschlag durch eine zweiflügelige Türe auf der gegenüberliegenden Seite und standen in einem niedrigen, kurzen Säulengang, der durch große, grünliche Platten gefliest war und den Eindruck eines alten Operationssaals hinterließ. Auch dieser kleinen Gang wurde ohne ein Wort von der Gruppe durchquert.

Am Ende, und während sie in den mittleren hohen Säulengang der Station an der grünen Linie hinaustraten empfing sie Red von vorne mit den Worten “Willkommen an eurem Arbeitsplatz, den Farmen der grünen Linie.” Er war stehen geblieben und vollführte mit der Hand eine schweifende Bewegung durch den Raum.

“Tori, die Dame an der wir im Eingangsbüro vorbeigekommen sind, hat hier die Hosen an. Bei ihr meldet ihr euch morgen, die genaue Uhrzeit bekommt ihr von ihr nachher beim rausgehen, sie wird euch dann noch einmal ausführlich sagen was ihr wo zu tun habt. Und vielleicht gibt es nochmal eine ausführlichere Runde durch die Station und die Tunnel hier.”

Er stapfte durch den Bogengang, dem Rückgrat der Station, entlang.

“Nun müsst ihr euch aber erstmal mit mir zufrieden geben. Also mitkommen.”

Ihre kleine Führung führte sie einmal das eine Gleisbett auf und ab, dorthin wo die Pilzfelder lagen und der Dung dafür aufbereitet wurde, sowie etwas weiter in die andere Richtung wo man ein paar größere Verschläge aus alten Paletten und Holzplatten in Gehege gestellt hatte, die eine grunzende Horde Schweine beherbergte.

Dies waren die beiden Hauptversorgungszweige die es für die Bevölkerung des Livestocks gab. Für besondere Anlässe und um doch ein klein bisschen Abwechslung gewährleisten zu können wurden auf dem zweiten Gleis der Station, Gemüse und ein paar Früchte angebaut. Laut Red gab es auch ein paar Felder außerhalb des Livestocks, unter der echten Sonne, aber diese waren komischerweise nicht so ertragreich wie die unter Tage, auch wenn das, was hier wuchs nicht wirklich den Eindruck erweckte als könnte man es bedenkenlos essen. Allerdings verwunderte dieser Anblick nicht gerade, da es ohne natürlichem Licht eh ein Wunder war, dass die Pflanzen sprießten und etwas essbares trugen.

Das war die letzte Station ihrer kleinen Führung. Sie verließen die grüne Linie wieder durch den kleinen Verschlag am Ende des kleinen Ganges und verabredeten sich mit Tori für den genauen Zeitpunkt, an dem sie am nächsten Tag antanzen sollten. Dann war auch das erledigt.

Die kleine Gruppe folgte Red wieder den gebogenen Gang entlang, bis er am Ende der Treppe zur Halle stehen blieb.

“So,” begann er “das wäre es dann fürs erste gewesen. Noch irgendwelche Fragen?”

347 und 346 schüttelten den Kopf, während 248 wie eine Wand, ohne eine Regung, hinter ihnen stehen blieb

“Gut.” Red klatschte die Hände zusammen und zog einen blauen Kugelschreiber und einen gefalteten Bogen Papier aus der Tasche.

“Dann hätte ich noch gerne eure Namen und dann seid ihr entlassen.” grinste er.

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